In Zusammenarbeit mit einigen Jugendlichen haben wir in den letzten Monaten unser "Alkohol-ABC" durchgeführt. Dabei wurden Pädagogen, Psychologen und Ärzte interviewt, die allesamt beim Verein HANDS beschäftigt sind und sich in ihrer Arbeit täglich mit dem Thema Alkohol beschäftigen. Mit viel Engagement und Einsatz konnten die Jugendlichen so Buchstabe für Buchstabe abarbeiten. Selbstverständlich konnten die Jugendlichen auch selbst Fragen zum Thema Alkohol und Alkoholabhängigkeit stellen; der psychoedukative Aspekt stand hierbei besonders im Vordergrund. Wir bedanken uns bei allen die teilgenommen haben.

Dieses Projekt wurde in beiden Landessprachen mit unseren Jugendlichen durchgeführt. Das bedeutet, dass ein Buchstabe entweder auf der italienischen oder deutschen Internetseite (einfach oben Sprache wählen) erklärt wird. Die Veröffentlichung hier beginnt mit einem zufällig ausgewählten Buchstaben; Zeit für Zeit (zirka im Wochenrythmus) wird jeweils ein weiterer Buchstabe hinzugefügt; bis das "Alkohol- Alphabet" vollständig ist.

 

G wie GGT-Wert

G wie GGT-Wert

"Die "Gamma-Glutamyl-Transferase" ist ein Enzym, das vor allem in der Leber gebildet wird. Sie hat einen relativ hohen spezifischen, diagnostischen Wert. Die GGT kann zum Beispiel steigen, wenn entzündliche oder degenerative Prozesse stattfinden und ebenso, wenn ein zu hoher Alkoholkonsum stattfindet. Man weiß, dass der Alkohol eine toxische Wirkung auf die Zelle hat und diese Zellen zerstört – folgend kann der GGT-Wert ansteigen.

Die Untersuchung erfolgt als Blutabnahme. Der Arzt fragt meist aufgrund einer diagnostischen Abklärung diesen Wert an. Dieser Wert gibt unter anderem Aufschluss auf die Gesundheit der Leber, somit kann das medizinische Personal eine eventuelle medikamentöse Therapie verschreiben oder eben nicht. Jedoch wird nicht nur der GGT-Wert für die Abklärung eine Alkoholabhängigkeit,- bzw. missbrauch hergenommen, sondern ebenso andere Kriterien und Werte. Bei einem nicht chronischen Konsum von Alkohol pendelt sich der GGT-Wert innerhalb weniger Tage wieder auf Normalniveau ein; sollte der GGT- Wert trotz Abstinenz hoch bleiben, kann bereits eine dauerhafte Leberzellschädigung aufgrund chronischen, über Jahre stattgefundenen, Alkoholmissbrauch, hindeuten. Es können aber auch Leberfunktionen eingeschränkt sein, ohne dass die GGT erhöht ist, aus diesem Grund ist es wichtig immer mehrere Parameter hinzuzunehmen.

(Eva Leitgeb begann ihre Arbeit bei Hands im Jahre 1999. Im Rahmen einer Gesetzesänderung (Italien beschloss unter anderem, dass der Entzug von Alkohol auch ambulant in spezialisierten Diensten durchgeführt werden kann) wurde im Ambulatorium medizinisches Personal aufgenommen und so wechselte Eva Leitgeb als Krankenschwester vom Krankenhaus in das Ambulatorium. Nach 22 prägenden Dienstjahren ist Eva Leitgeb im Oktober 2021 in den Ruhestand gegangen. In diesen zwei Jahrzehnten konnte sie einen ´Wandel der Alkoholabhängigkeit´ erkennen und miterleben; das Bild des alkoholkranken Menschen, sowie die immer komplexeren Situationen der einzelnen Menschen verlangte somit auch eine Entwicklung des Dienstes "Hands", der gut gelungen ist; zum Beispiel konnte gut auf den Poli-Konsum eingegangen werden.)

 

 

V wie Vodka-Energy

„Vodka-Energy“ ist eines von unzähligen alkoholischen Mischgetränken. Wie der Name schon erahnen lässt, besteht es aus Vodka und Energy-Drink. Meist werden die einzelnen Bestandteile im Glas, z.B. in der Diskothek oder in privaten Kellern, zusammengefügt und dann getrunken. Einige Mischgetränke gibt es auch bereits abgemischt/ abgefüllt in Flaschen oder Dosen. Eines der bekanntesten („leichten“) Mischgetränke ist der „Radler“, der aus Bier und Zitronenlimonade besteht. Die besondere Gefahr bei Mischgetränken ist hierbei, dass man den Alkohol mit sehr süßen Getränken zusammenmischt, das Getränk somit schneller trinken kann und so ein Rauschzustand schneller erreicht wird; dieser kann foglich heftiger bzw. gefährlicher ausfallen. 

Die Wirkung vom dämpfenden Alkohol wird oftmals überdeckt von der aufputschenden Wirkung vom enthaltenen Koffein u.a. im Energy-Drink. Dies kann dazu führen, dass Konsumentinnen und Konsumenten ihren Alkoholspiegel nicht wahrnehmen und wie beschrieben mehr bzw. länger trinken. Das süße Getränk überdeckt den eigentlichen „Geschmack“ von Alkohol. Leider unterschätzen dies viele Jugendliche und junge Erwachsene.

(Lukas Gasser ist seit 2020 Sozialpädagoge im Ambulatorium Hands. Er begleitet Jugendliche im Alter zwischen 12 und 25 Jahren (YoungHands). Nach seinem Studium in Sozialpädagogik war er jahrelang als Schulsozialpädagoge an zwei Oberschulen tätig. Sein Aufgabenbereich umfasst die pädagogische Begleitung der Jugendlichen und jungen Erwachsenen.)

 

I wie Interessenverlust

"Meiner Meinung nach besteht sehr wohl ein großer Zusammenhang zwischen Alkoholkonsum und Interessensverlust. Generell gesehen besteht dieser Interessensverlust bei jeglichem Missbrauch bzw. Abhängigkeit; egal ob Alkohol, Kokain oder Glücksspiel. Das sehe ich vor allem bei meiner Arbeit in der Therapiegemeinschaft, denn die Klienten haben für sehr lange Zeit fast ihre gesamte Freizeit z.B. in einer Bar verbracht beim Trinken oder in einer Spielhalle o.ä. verbracht. Durch die fortgeschrittene Sucht haben einige ihre Arbeit und auch ihre sozialen Kontakte verloren, der Alkohol bzw. die Substanz/ das Verhalten ist sozusagen omnipräsent. Auch aus diesem Grund ist die stationäre oder teilstationäre Aufnahme in die Therapiegemeinschaft wichtig, denn dort versucht man Schritt für Schritt verlorengegangene Interessen zu wecken, Ressourcen zu erörtern, sowie neue Aktivitäten im Einzel- und Gruppensetting durchzuführen, wie etwa sportliche Aktivitäten wie Klettern, Schwimmen oder Wandern, Yoga, Töpfern, Malerei, Museumsbesuche,…"

In der Therapiegemeinschaft von Hands wohnen vorübergehend Menschen mit Abhängigkeiten (Substanz- und Verhaltenssüchte), die bereits einen ersten Entzug gemacht haben und nun durch kontinuierliche Betreuung in ihren Lebenskompetenzen gestärkt werden. Ziel dabei ist es, dass diese Menschen wieder in einen (gesunden) Alltag mit Arbeit, Hobbys u.a. zurückkehren.

(Andrea Frenes ist seit dem Jahr 2020 Sozialpädagogin in der Therapiegemeinschaft von Hands. Bevor sie bei Hands anfing, war sie 12 Jahre bei der EOS in Bruneck; zuerst in der Wohngemeinschaft und dann im BeWo (Begleiteten Wohnen). Dort unterstütze sie Jugendliche und junge Erwachsene. Andrea Frenes hat neben ihrer sozialpädagogischen Ausbildung auch einen Yoga-Lehrerkurs absolviert – diese Aktivität bringt sie in der Therapiegemeinschaft regelmäßig ein. Seit Kurzem begleitet sie das neue Hands- Tageszentrum in Bruneck.)

 

 

J wie Jobverlust

Die Arbeit bzw. die Ausbildung selbst ist einer der wichtigsten Lebensbereiche eines Menschen. Regelmäßige Weiterbildungsmöglichkeiten in der heutigen schnelllebigen und ständig verändernden Welt ebenso. Leider geht die Sucht öfters mit einem Verlust der Arbeitsstelle bzw. Ausbildungsplatz einher. Meist weil man gekündigt wird, da man seine Arbeitsleistung über einen längeren Zeitraum nicht mehr erbringt, öfters unentschuldigt abwesend ist oder im angetrunkenen Zustand zur Arbeit erscheint. Vorweg muss man aber auch betonen, dass viele Arbeitgeber gewillt sind, der (sucht-)kranken Person zu helfen und sie zu unterstützen. Nach einem Jobverlust versucht Hands (meist nach absolviertem Entzug) mit verschiedenen Wiedereingliederungs-Projekten den Klienten einen geregelten (Arbeits-) Alltag zu bieten; diese Projekte können verschiedenster Natur sein (Sozialgenossenschaften, geschützte Werkstätten uva). Es ist aber auch viel Motivationsarbeit zu leisten, sie sollen wieder Vertrauen zu sich und ihren Kompetenzen, Ressourcen und Fähigkeiten bekommen; eine Art „Hilfe zur Selbsthilfe“.

(Sandra Gurschler arbeitet seit ca. 6 Jahren als Sozialassistentin im Ambulatorium Hands. Sie arbeitet mit Erwachsenen und Jugendlichen (Young-Hands). Zudem kümmert sie sich ebenso um die Wohnprojekte, die Hands in Zusammenarbeit mit anderen Diensten führt. Vor ihrer Arbeit bei Hands war sie als Sozialassistentin im Sozialsprengel tätig - ebenso im Erstaufnahmezentrum für minderjährige Einwanderer.)

 

 

P wie Promillewert

Der Atemalkoholwert wird, wie den meisten Leuten bekannt ist, in Promille berechnet. Das misst sozusagen die Blut-Alkohol- Konzentration. Gemessen wird mit einem Alkoholtestgerät – italienisch „etilometro“. Dabei wird das steril verpackte Mundstück zum Pusten vor jeder Messung auf das Messgerät gesteckt und nach jedem Gebrauch gewechselt. Durch das Pusten wird dann nach einigen Sekunden der Promillewert angezeigt.

Der Promillewert hängt nicht nur vom konsumierten Getränk ab, sondern (wenn auch nur minimal) von der Körpergröße, Geschlecht, Gewicht, letzte Mahlzeit ab.
Man kann nicht verallgemeinern, wenn man im selben Atemzug von Promillewert und „Betrunkensein“ spricht. Das kann man nicht 1-1 gleichsetzen! Denn jede Person nimmt den Effekt von Alkohol anders wahr und nicht jede Person verträgt gleich viel; das heißt: der Promillewert selbst ist bei den meisten Personen mehr oder weniger derselbe, nur das Gefühl bzw. der Effekt wird individuell wahrgenommen.

Der Körper, besonders die Leber, baut den Alkohol wieder ab. Generell kann man sagen, dass der Körper 0,1 Promille die Stunde abbaut.

Die Promillegrenze in Italien liegt bei 0,5 Promille - für Führerscheinneulinge die ersten drei Jahre aber strikt 0,0 Promille. Personen die in ihrer Arbeit mit Fahrzeugen, wie LKW und Bus, also im Schwer,- bzw. Personentransport verkehren, müssen ebenso 0,0 Promille haben. Europaweit gibt es verschiedene Regelungen, einige Länder haben die allgemeine 0,0 Promille - Grenze, andere wiederum (wie auch früher Italien) die 0,8 Promille-Grenze.

(Psychologin und Psychotherapeutin Elisabeth Ortner ist bereits seit mehr als 16 Jahren bei Hands tätig; zuerst arbeitete sie in der Therapiegemeinschaft und nun im Ambulatorium. Elisabeth Ortner absolvierte die „kognitive Verhaltenstherapie“ in Brixen.)

 

 

S wie Suchtdreieck

Das Suchtdreieck beschreibt im Allgemeinen die drei wichtigsten Faktoren bei einer Abhängigkeit. Das kann man sich so vorstellen, dass an den 3 Eckpunkten dieses Dreiecks das Individuum (also die Person selbst) das Umfeld, in der die Person lebt und die Droge selbst, sind. Das komplexe Zusammenspiel dieser 3 Faktoren lässt überhaupt zu, dass jemand eine Sucht entwickeln kann bzw. entwickelt hat. Um es ein bisschen besser zu verstehen:
Individuum: Persönlichkeitseigenschaften, Selbstwertgefühl, genetische Disposition
Umfeld: Familie, Freunde, Wohnsituation
Droge: Art, Stärke, Dosis, Preis

(Eva Zadra ist seit 2002 bei HANDS und arbeitet seitdem als Erzieherin in der Außenstelle Meran/ Handswork Meran. Bei Handswork spielt die Wiedereingliederung von Menschen mit einer Suchterkrankung in die Arbeitswelt eine tragende Rolle. In Meran gibt es eine Holz- Werkstatt, wo alte oder kaputte Möbel restauriert werden. Ebenso gibt es eine Kreativ-Werkstatt wo Möbel oder andere Sachen bemalt werden. Wichtig ist, dass unsere Patienten in der Werkstatt durch ihre Arbeit wachsen können und so den Schritt in die „normale“ Arbeitswelt planen und bewältigen können.

 

 

B wie Binge-Drinking

Binge Drinking ist ein Begriff der eigentlich aus dem Bereich der Essstörungen kommt; denken wir mal an den Begriff "Binge-Eating", das eigentlich „Fressattacke“ bedeutet, also exzessives, übermäßiges Essen. "Binge Drinking" ist sozusagen das exzessive, übermäßige Trinken. Menschen, die "Binge Drinking" betreiben, trinken innerhalb kurzer Zeit sehr viel Alkohol mit dem Ziel so schnell wie möglich den Effekt des Alkohols spüren zu wollen. Bei Jugendlichen kann es sein, dass diese sich ein/zwei Mal mit Freunden austesten... aber es gibt auch pathologische Formen, wo sich gewisse Personen nicht mehr im Griff haben und unkontrolliert bis zur Bewusstlosigkeit betrinken – das kann dann auch schon mal Lebensgefahr bedeuten.
Das Phänomen des „Binge-Drinking“ kommt aus dem nordeuropäischen Raum, denn dort ist es nicht Teil der Kultur, dass man z.B. zum Mittagessen ein Glas Wein trinkt, wie z.B. in vielen südeuropäischen Ländern. Im Norden wird demnach der Alkohol mehr als Mittel zum Zweck benutzt, also um betrunken zu werden. Dieses Phänomen schwappte so in den letzten zwei Jahrzehnten auch auf Mittel bzw. Südeuropa über. Wichtig hierbei zu betonen ist, dass "Binge Drinking" eine Alkoholabhängigkeit hervorrufen kann, besonders dann, wenn die alkoholfreien Tage zwischen diesen „Trinkattacken“ über die Monate und Jahre hinweg immer weniger werden.

(Oskar Giovanelli ist seit 2013 Psychologe und Psychotherapeut im Ambulatorium Hands. Er koordiniert das Projekt "YoungHands" seit 2019. Zudem war er bis vor Kurzem Teil der UOTD (Unione operativa tossico- dipendenza); in Zusammenarbeit mit anderen Diensten (SerD,...) unterstützte er suchtkranke Personen, die im Gefängnis inhaftiert sind bzw. waren. Oskar Giovanelli arbeitete vorher in der psychsozialen Beratungsstelle der Caritas in Schlanders.)

 

 

R wie Reaktionsfähigkeit

Die Reaktionsfähigkeit beim Menschen wird schon nach geringen Mengen Alkohol beeinflusst. Das heißt, dass ab dem ersten Schluck Wein, Bier oder Schnaps der Alkohol in die Blutbahn übergeht und im Körper dementsprechend zu wirken beginnt.

Ab 0,2/ 0,3 Promille tritt eine enthemmende Wirkung ein. Die Redseligkeit steigt und auch die Reaktionen verlangsamen sich. Zeitgleich erhöht sich die Risikobereitschaft.

Besonders ab 0,5 Promille gibt es ein deutliches Nachlassen der Reaktionsfähigkeit. Besonders auf den Straßenverkehr bezogen ergibt sich die sogenannte "Rotlichtschwäche"; also die Schwierigkeit Lichter mit hohem Rot-Anteil zu erkennen bzw. die Distanz zum Rotlicht falsch einzuschätzen.

Im Allgemeinen kann man sagen, dass alle Sinne des Körpers eingeschränkt werden.

(Monica Scannavini arbeitet als Verwaltungsangestellte beim Verein HANDS und ist dort seit September 2017 tätig. Ihr Hauptaufgabenbereich ist besonders die Buchhaltung. Vor dem Jahr 2017 war sie bei der Südtiroler Raiffeisenbank tätig.)

 

 

L wie Lesch

"Die Einteilung „nach Lesch“ wurde von Dr. Otto Lesch konzipiert und beschrieben. Otto Lesch leitete die Alkoholambulanz in Wien. Es hat vor Lesch schon verschiedene Einteilungen gegeben. Man hat aber herausgefunden, dass sich Menschen die Alkohol konsumieren, sich nicht immer ´gleichen´, das Einzige was sie gemeinsam haben ist, dass sie Alkohol konsumieren. Aber ansonsten sind sie grundverscheiden. In der Medizin ist es demnach wichtig diese Menschen einzuteilen und Lesch hat sie so in 4 Gruppen unterteilt."

Gruppe 1 "ist so der klassische Alkoholiker, der sogenannten ´Spiegeltrinker´. Zu beobachten war, dass besonders bei dieser Gruppe die Entzugserscheinungen sehr stark auftreten können, weil der Körper über viele Jahre sehr hohe Mengen von Alkohol gewöhnt ist. Dieser Alkohol fehlt aber nun plötzlich. Deswegen brauchen Suchtkranke im Lesch 1 dringend ärztliche Begleitung beim Entzug."

Gruppe 2 nach Lesch "ist die Gruppe die den Alkohol sozusagen als Medikament verwenden. Sie trinken bei Angstzuständen oder bei immer wiederkehrenden Sorgen. Wie man weiß, macht der Alkohol ja mutiger und erhöht die Risikobereitschaft usw. Das Ziel bei den Gesprächen mit den Klienten muss sein, dass man die Ängste reduziert. Mit der Reduktion der Ängste, kann auch der Alkoholkonsum sinken."

Gruppe 3 nach Lesch "ist eine größere bzw vielfältigere Gruppe, da fallen z.B. die Depressionen, bipolare Störung etc. hinein. Auch hier liegt das Augenmerk primär auf die psychische Störung und nicht auf den Alkoholkonsum, denn wenn  z.B. die Depression gut in den Griff zu bekommen ist, wird der Alkohol tendenziell weniger. Die Konzentration liegt hier ebenso auf das Wohlbefinden des Klienten, ähnlich wie in Gruppe 2."

Gruppe Lesch 4 "ist eine Gruppe von suchtkranken Menschen die z.B. organische Veränderungen haben. Zum Beispiel ein Hirntrauma hatten oder eine beispielweise auch eine Frühgeburt waren, aber ebenso Psychosen, Schizophrenie u.a. können hierbei eine Rolle spielen. Diese Menschen benutzen den Alkohol damit sie in Kontakt zu anderen Menschen treten können und sozial anerkannt werden, aber auch um sich besser zu fühlen; psychisch und auch körperlich. In dem Fall ist es wichtig, diese Menschen zu begleiten und immer wieder die Hilfe anzubieten, wann diese sie benötigen.

In der Praxis sehen wir oft Vermischungen bzw. Mischformen dieser Gruppen, wie z.B. Gruppe 2 und 3 oder Gruppe 3 und 4. Wichtig ist, dass man die Menschen nicht etikettiert und die Suchtkranken menschlich behandelt und nicht rein nach Kriterien geht.

(Walter Tomsu ist Arzt und Psychotherapeut im Ambulatorium Hands. Er ist der klinischen Leiter des Ambulatoriums. Der Arzt war vorher lange Zeit in Wien in der Drogenambulanz und als Primararzt in einer Einrichtung für Drogensüchtige tätig. Im Jahr 2000 zog es den Arzt nach Italien, zuerst nach Mittelitalien (Hauptgebiet: HIV/Aids) und dann nach Südtirol in das Ambulatorium Hands. Neben der medizinischen und therapeutischen Beratung und Behandlung liegt das Aufgabengebiet auch in der Psychosomatik und Familientherapie.)

 

 

Y wie YoungHands

"YoungHands ist ein Projekt im Ambulatorium und wurde 2019 ins Leben gerufen. Im 4. Stock arbeiten 2 Psychologen, 1 Sozialassistentin und 2 Pädagogen für das Projekt YoungHands. Diese kümmern sich vor allem um Jugendliche und junge Erwachsene zwischen 12 und 25 Jahren – wie eben das Wort „Young“ schon vermuten lässt. Besonderes Hauptaugenmerk liegt auf das Thema Alkohol und die Internet/Gaming- Problematik. In letzter Zeit tritt vermehrt der Poli- Konsum (Konsum von verschiedenen Substanzen; aber auch Verhaltensweisen) auf, weswegen YoungHands vermehrt im Netzwerk mit anderen Diensten arbeitet. Besonders nach der Pandemie konnte man einen verstärkten Zuwachs an Hilfesuchenden bemerken. Am Öftesten melden sich dabei die Eltern selbst, aber natürlich wird YoungHands auch von den Sozialdiensten, der Fachambulanz für Kinder- und Jugendpsychiatrie oder den Jugendgericht kontaktiert. Ebenso kümmert sich YoungHands um die Kinder bzw. Verwandten von Suchtpatienten."

(Ingrid Hartmann ist nun schon seit 24 Jahren bei HANDS. Sie arbeitet in der Aufnahme bzw. im Sekretariat im Ambulatorium in Bozen. Sie ist "die gute Seele am Telefon". Sie nimmt nicht nur Telefonate von Klienten und anderen Hilfesuchenden entgegen, sondern sie bearbeitet auch bürokratische Tätigkeiten, wie beispielsweise Einweisungen nach Bad Bachgart uvm.  Das Wichtigste bei ihrer Arbeit ist aber der Telefondienst, denn nach der Erstaufnahme leitet sie die anrufenden Personen an die zuständigen Ärzte oder Psychologen weiter.)

 

E wie Entzugserscheinungen

„Entzugserscheinungen treten ein, wenn eine Person über einen gewissen, kurzen Zeitraum keinen Alkohol mehr trinkt, aber schon in einer Phase ist, wo sich der Körper daran gewöhnt hat; also abhängig ist. Dasselbe gilt auch bei Medikamenten oder anderen Substanzen. Häufig treten die Entzugserscheinungen in der Nacht auf; unruhiger Schlaf, häufiges Aufwachen, Schweißausbrüche, Angstzustände bis hin zum Zittern uvm. Die ersten Tage eines Entzugs empfinden Klienten hierbei am Schwierigsten. Durch diese starken psychischen und körperlichen Signale, ist es sehr schwer ohne medizinische Hilfe vom Alkohol loszukommen. Dieser Zustand ist so schwer auszuhalten, dass die Person wieder Alkohol (oder eben andere Substanzen) zu sich nimmt.
In der Regel verschwinden diese Entzugserscheinungen bei Trinken von Alkohol bzw. bei Gabe von Medikamenten, die den Entzug lindern bzw. stark reduzieren. Es wird immer davon abgeraten einen „kalten Entzug“ zu machen, denn die Gefahr von epileptischen Anfällen ist hierbei erhöht. Wer entschlossen ist vom Alkohol loszukommen, den raten wir den Entzug immer unter ärztlicher Aufsicht zu machen.“

(Seit dem Jahr 2000 ist Eva Roner Psychologin und Psychotherapeutin im Ambulatorium Hands. Sie begleitet Menschen mit Alkoholproblemen und Medikamentenmissbrauch. Ebenso geht Eva Roner regelmäßig zu Häftlingen ins Gefängnis, die mit Alkoholproblemen zu leiden haben. Zudem führt sie einen Teil der Erst-Gespräche mit Menschen, die aufgrund erhöhter Promillewerte ihren Führerschein abgeben mussten.)

 

 

Z wie Zugehörigkeitsgefühl

Lintner: "Das Wort Zugehörigkeit ist im Grunde ein sehr großes Wort für uns alle. Jeder von uns möchte irgendwo dazugehören. Umso mehr gilt das für Personen die eine Alkohlabhängigkeit haben bzw. hatten. In den Gruppen die ich leite, fragen mich häufig die Personen, ob sie schon noch zu ihrer Gruppe und ihren Freundeskreis gehören, wenn sie jetzt nichts mehr trinken... Das Zugehörigkeitsgefühl wird häufig hinterfragt. So zum Beispiel passiert es oft, dass im Freundeskreis eine Runde bestellt wird und erst gar nicht nachgefragt wird, was jemand trinken möchte... dann steht vor einem das Bier und da rutscht man so in diese Situation hinein, dass man nicht mehr nein sagen kann. Man will ja nicht unhöflich sein. In den Gruppensitzungen, aber auch in den Einzelgesprächen ist das Thema Zugehörigkeitsgefühl ein immer wiederkehrendes Thema; unabhängig ob jemand erst seit kurzem abstinent ist oder schon seit mehreren Jahren. Der Mensch will irgendwo dazugehören - der Mensch ist kein Einzelgänger. Besonders schwierig ist es für die Menschen, die sich erst seit Kurzem entschlossen haben mit dem Trinken aufzuhören; zur alten Gruppe gehöre ich nun nicht mehr und eine neue Gruppe muss ich erst finden, wo ich mich wohl fühle. Es passiert auch, dass man eine Zeit lang alleine ist, das muss man dann aushalten. Wegen der (alten) Gruppe selbst werden aber wenige Menschen rückfällig. Es hängt natürlich auch von der Motivation ab - den meisten ist es klar, dass die "alten" Kollegen nicht förderlich für die eigene Abstinenz sind.
Der Gruppenzwang selbst, besonders in jungen Jahren, kann schon recht gefährlich sein, insbesondere wenn es einer Person über einen längeren Zeitraum nicht gut geht und sein Leben außerhalb der Arbeit nur die Bar ist; da kann man mit Gleichgesinnten zusammen seine Sorgen in Alkohol ertränken- und keinem fällt es auf. Wichtig ist es,dass man mehrere Gruppen bzw. Anker im Leben hat; Sport, Arbeit, Familie, Jahrgang, Hobbys..."

(Maria Lintner ist Psychologin und Psychotherapeutin im Ambulatorium HANDS. Sie hat in Innsbruck ihr Psychologiestudium absolviert und anschließend als Praktikantin bei HANDS begonnen. Im Jahr 2003 hat sie in der Therapiegemeinschaft HANDS als Psychologin angefangen zu arbeiten und hat zudem in Brixen die "kognitive Verhaltenstherapie" abgeschlossen. Nach 10 Jahren in der Therapiegemeinschaft wechselte sie in das Ambulatorium, wo sie bis heute arbeitet. Ihre Zeit in der Therapiegemeinschaft sieht sie als sehr hilfreich für die heutige Arbeit im Ambulatoirum an. Zudem leitet Maria Lintner eine Gruppe im Ambulatorium und begleitet die Selbsthilfegruppe.)